Funktion und Zweck des Schlafes

Der folgende Text stammt aus einer älteren Facharbeit (Müller, T.: Wieviel Schlaf braucht der Mensch. Lit-Verlag 1996) und ist weder für Laien geschrieben noch besonders aktuell - sorry

Während mittlerweile gut er­forscht ist, was während des Schlafes im Körper passiert, besteht über seine Funktion nach wie vor Unklarheit. Bedeutende Schlafforscher wie Horne (1988) als auch Koella (1988) resümieren, daß die einzige sichere Funktion des Schlafes in einem "Entmüdungseffekt" besteht. Die Unterscheidung von NREM- und REM-Schlaf läßt natürlich vermuten, daß beiden klar unterscheidbare Funktionen zuzuordnen sind. Allein, auch hier gilt:

"Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann nicht eine einzige der möglichen Funktionen experimentell klar belegt werden."
(Pollmächer und Lauer, 1992, S. 34).

Hinsichtlich einer generellen Funktion des Schlafes bestehen zwei grundsätzliche Annahmen:

In Bezug auf den NREM-Schlaf wird von mehreren Autoren eine Restitution peri­pherer Körperfunktionen angenommen (z.B. Baekeland und Lasky, 1966; Adamson et al., 1974), wofür u.a. die erhöhte Wachs­tumshormonausschüttung zu Beginn der Nacht und die Zunahme des Tiefschlafs nach intensiver körperlicher Anstrengung spricht (Baekeland und Lasky, 1966; Bert, 1973; Hobson, 1968). Für den REM-Schlaf wird dagegen eine Erholung zentralnervöser Defizite postuliert (s.u.). Eine solche an das klassische Leib/Seele-Problem angelehnte Funktionsdichotomie kann jedoch kaum als bewiesen gelten. Auch die zahlreichen letalen Schlafent­zugsexperimente bei Tieren und Studien mit bis zu zehntägigem Schlafentzug beim Menschen haben in dieser Hin­sicht bisher keine oder keine eindeutigen Ergebnisse geliefert. Zumindest beim Menschen scheint längerer Schlafentzug von peri­pheren Systemen im Allgemeinen recht gut vertragen zu werden, während das Gehirn mit zum Teil markanten funktionellen Störungen reagiert (Koella, 1988, führt u.a. emo­tionale Instabilität, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen, Desorientie­rung, Illu­sionen und Halluzinationen als wichtigste Schlafentzugsfolgen an; vgl. auch: Huber-Weidmann, 1976).

Noch wesentlich umstrittener sind die zahlreichen Theorien und Befunde zum REM-Schlaf. Zu den Wichtigsten zählen:

Den größten Raum nehmen nach wie vor die teilweise sehr unter­schiedlichen Thesen zu einer informationsverarbeitenden Funktion des REM-Schlafes ein (eine kurze Übersicht findet sich in Poll­mächer und Lauer, 1992; explizit setzt sich Lischer, 1986, mit diesem Thema auseinander). Dabei dominiert die Gedächtniskonsolidierungsthese, nach der der REM-Schlaf eine notwendige Bedingung für die Übertragung von Gelerntem vom Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis ist. Hierfür sprechen u.a. die gedächtnisstörenden Effekte von REM-Schla­fentzug , die Zunahme des REM-Schlafs nach intensiver Lerntätig­keit und biochemische Befunde. Nach Pearlman (1982) betrifft dieser gedächtnis­bah­nende Effekt vor allem sog. "unprepared learning" im Sinne von Seligman (1970) bzw. emotional bedeutsames Material (Greenberg et al., 1972) bzw. eher divergente als konver­gente Aufgaben (Lewin und Glaubman, 1975). Während Koella ebenso wie Lischer (1986) nach Durchsicht der "[...] doch recht zahlreichen positiven- gegenüber nur wenig negativen Versuchser­gebnissen [...]" (Koella, 1988, S. 127) der gedächtnisbahnenden Rolle des REM-Schlafes einen hohen Stellen­wert einräumt, kommt Horne (1988) nach seiner Übersicht zu der genau gegenläufigen Schlußfolgerung: "REM sleep is not essential to memory con­solidation." (Horne, 1988, S. 313), wobei man sich des Eindruckes einer etwas einseitigen Auswahl von Studien durch den Autor angesichts von Aussagen wie "[...] in the experiments on humans there is no sign of any heightening of REM sleep." (a.a.O., S. 272) nicht erwehren kann (eine Zunahme des REM-Schlafes findet sich u.a. bei Dekonink et al., 1975; Greenberg und Dewan, 1969; Lewin und Gombosh, 1973; Paul und Dietrichova, 1975; Zimmermann et al., 1970).

Anmerkung: Inzwischen (2006) gibt es zahlreiche Studien, die einen gedächtnisfördernden Effekt des Schlafes nachweisen!

Horne selbst favorisiert unter teleologischen Gesichtspunkten zudem eine Eintei­lung in dem von ihm so bezeichneten Kernschlaf ("core sleep") und Optionalen Schlaf (von Koella als obligater und fakultativer Schlaf bezeichnet).

Diese Zweiteilung in einen restaurativen Kern- und adaptiven optionalen Schlaf sieht Horne vor allem durch Reboundeffekte nach Schlafdeprivation gestützt. Nach totalem Schlafentzug wird in den Erholungsnächten quantitativ gesehen nur rund ein Drittel der verlorenen Schlafdauer insgesamt wettgemacht, aber ca. 80% des ver­lo­renen Stadiums NREM-4 und ca. die Hälfte des verlorenen REM-Schlafes. Für die größere Bedeutung des Tiefschlafes, wie Horne sie annimmt, würde zudem spre­chen, daß der Tiefschlafrebound bereits in der ersten Erholungsnacht einsetzt, wäh­rend es zu einem REM-Rebound erst in der zweiten Erholungsnacht kommt. Horne verweist außerdem auf die hohe Korrelation zwischen Wach­dauer und Tief­schlafdauer, die auf ein entsprechendes kumulieren­des Tiefschlafbedürfnis schließen läßt, während die REM-Schlaf-Dauer überwiegend circadianen Einflüssen unter­liegt. Meßbare Auswirkungen einer Schlafrestriktion zeigen sich zudem erst bei einer Schlafdauer unter vier Stunden.