Schlafdauer

oder: Wieviel Schlaf braucht der Mensch?

Der folgende Text ist mit freundlicher Genehmigung des Hogrefe-Verlages dem Buch "Schlaftraining - Ein Therapiemanual zur Behandlung von Schlafstörungen" entnommen.

Eine Frage, die sich die meisten Schlafgestörten jeden Morgen erneut stellt, lautet: Wie viele Stunden habe ich nun heute Nacht geschlafen oder wie viele Stunden habe ich während der langen Bettliegezeit dieses Mal "zusammenkratzen" können?

Die Zauberformel von 8 Stunden Schlaf als Garant einer erholsamen Nacht werden sie von Schlafexperten nicht hören. Zwar schläft ca. 50% der schlafgesunden Bevölkerung laut Umfragen tatsächlich im Durchschnitt 7-8 Stunden. Es gibt aber auch Menschen, sog. Kurzschläfer, die sich bereits nach 4-5 Stunden erholt und frisch fühlen, während Langschläfer erst nach 9-10 Stunden subjektiv zufrieden sind. Tatsächlich ist es so, dass Kurzschläfer pro Nacht genau soviel Zeit im Tiefschlaf verbringen wie normale 8-h Schläfer.

Es gibt Morgen- und Abendmenschen, die - um sich erholt zu fühlen - zu unterschiedlichen Zeiten schlafen sollten/müssen (siehe: Biologischer Rhythmus). Ebenso gibt es Schlafstörungen, bei denen die Betroffenen 10-12 Stunden und mehr schlafen und sich am nächsten Tag dennoch zerschlagen und nicht erholt fühlen. Die Zeitspanne und die individuelle, zum größten Teil "anerzogene" Bedürfnislage sind also ziemlich breit angelegt: Nicht die Anzahl der Stunden, sondern die Stabilität ("Knackigkeit") des Schlafprofils (siehe: Schlafstadien und Schlafarchitektur), die Anpassung an den eigenen biologischen Rhythmus und die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit am nächsten Tag sind entscheidend.

Schlafwissenschaftler haben versucht systematisch der Frage nachzugehen, wie viel Stunden Schlaf der Mensch wirklich braucht, um gut zu funktionieren. Dabei haben gesunde Versuchspersonen unter kontrollierten Bedingungen im Schlaflabor ihre Schlafdauer reduziert. Die Forscher interessierten dabei Veränderungen in den biologischen Maßen und in der Leistungsfähigkeit der Versuchspersonen nach einer solchen freiwilligen, langfristigen Schlafreduktion.

Aufgrund der bisherigen Ergebnisse kann man festhalten, dass ein normaler 8-Stunden Schläfer auch mit 5-6 Stunden Schlaf pro Nacht relativ gut auskommen kann.

"Relativ gut" insofern, als 5-6 Stunden Schlaf pro Nacht auf Dauer - bei einem regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus und einer gesunden Lebensweise - bei den meisten Menschen zu keinerlei körperlichen Veränderungen bzw. Schäden führen. Auch die Leistungsfähigkeit ist nicht gravierend beeinträchtigt. Vorsicht ist allerdings bez. der Reaktionsfähigkeit angezeigt, die sich im Laufe der Zeit verschlechtern kann (Vorsicht: Fahrtüchtigkeit!). Man konnte in diesen Schlafreduktionsexperimenten auch beobachten, dass ein verkürzter Schlaf an Qualität gewinnt. Der biologisch notwendige Tiefschlaf bleibt bei einer Reduktion des Schlafes auf ca. 5 Stunden vollständig erhalten (und nimmt sogar teilweise zu), die leichten Schlafstadien und die Phase REM dagegen werden verkürzt, der Einschlafvorgang erfolgt um ein Vielfaches schneller, die nächtlichen Schlafunterbrechungen werden weniger. Der Mensch schläft effektiver.

Auf diesem Prinzip beruht auch der Wirkmechanismus der Schlafrestriktion, bei der schlafgestörte Menschen ihre Schlafdauer in der ersten Therapiephase u.U. erheblich verkürzen müssen. Hierdurch wird der sog. Schlafdruck erhöht und in Folge dessen die Schlafphase stabilisiert.

Ein vielleicht schwacher Trost für viele schlafgestörte Menschen: Von nicht organisch bedingten Schlafstörungen wird man nicht "richtig" körperlich krank. Man wird sogar dann nicht "richtig" krank, wenn man freiwillig, mehrere Tage (der bisherige Weltrekord liegt bei 11 Tagen) in sog. totalen Schlafentzugsexperimenten nicht schläft. Das ändert natürlich nichts an der Tatsache, dass die Stimmung, Befindlichkeit, Lebenszufriedenheit und der Aktivitätsdrang in erheblichen Maße beeinträchtigt sein können. Vergleichsuntersuchungen zeigen, dass die Lebensqualität von chronisch Schlafgestörten ähnlich schwer beeinträchtigt ist, wie die von chronischen Schmerzpatienten. Von daher wundert es nicht, dass Schlafstörungen ein erhöhtes Risiko dafür darstellen, in der Folge an einer Depression zu erkranken.