Diagnosen

Diagnosen von Schlafexperten: ICD-10 und ICSD

Wenn Sie schon einmal einen Bericht Ihres behandelnden Arztes über seinen Untersuchungsbefund bzgl. Ihrer Schlafstörung in der Hand gehalten haben, werden Sie - zumeist am Anfang - unter dem Oberbegriff "Diagnosen" auf einen oder mehrere medizinische Fachbegriffe, mit denen ihre Schlafstörung beschrieben wird, sowie merkwürdigen Ziffern gestoßen sein. Diese medizinischen Fachbegriffe (z.B. "Nichtorganische Insomnie") und die dazugehörigen Ziffern (z.B. "ICD-10: F 51.0") entstammen dem internationalen Verzeichnis der Krankheiten, z.Z. der "Internationalen Klassifikation von Erkrankungen" (International Classification of Diseases) in der 10. Fassung (ICD-10), herausgegeben von der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Da das ICD-10 Schlafstörungen nur sehr grob klassifiziert, hat die Amerikanische Schlafforschungsgesellschaft für Schlafstörungen noch eine spezielle Internationale Klassifikation der Schlafstörungen (International Classification of Sleep Disorders - "ICSD") zusammengestellt. Deutsche Schlafexperten führen daher häufig beide Diagnoseschlüssel an (z.B. "Psychophysiologische Insomnie. ICD-10: F 51.0; ICSD: 307.42-0")

 

Das ICSD ist das derzeit umfassendste Verzeichnis von Schlafstörungen und enthält mehr als 80 verschiedene Krankheitsbilder, die in vier Gruppen zusammengefasst sind:

 

I) Dyssomnien

  1. Psychophysiologische Insomnie: Ein- und/oder Durchschlafbeschwerden aufgrund von körperlicher Anspannung und Nicht-Abschalten können bzw. den Schlaf behindernden Gedanken
  2. Fehlbeurteilung des Schlafzustandes: Klagen über Ein- und/oder Durchschlafbeschwerden ohne dass diese sich nachweisen lassen. Der Patient erlebt objektiven Schlaf als Wachzustand.
  3. Idiopathische Insomnie: Ein- und/oder Durchschlafbeschwerden seit Kindheit an.
  4. Narkolepsie: Schlafattacken am Tage, plötzlicher Verlust der Muskelspannung (Kataplexien), lebhafte Traumbilder beim Einschlafen (hypnagoge Halluzinationen)
  5. Rezidivierende Hypersomnie: Wiederholte Episoden von übermäßiger Schläfrigkeit am Tage in wöchentlichem oder monatlichem Abstand.
  6. Idiopathische Hypersomnie: Übermäßige Schläfrigkeit am Tage, übermäßig tiefer und/oder langer Schlaf wahrscheinlich infolge einer Störung im Gehirn
  7. Posttraumatische Hypersomnie: Übermäßige Schläfrigkeit am Tage infolge einer Verletzung des Gehirns (einem sog. Trauma).
  8. Obstruktive Schlafapnoe: Wiederholte Atempausen im Schlaf als Folge eines Atemwegverschlusses. Unerholsamer Schlaf und Tagesschläfrigkeit.
  9. Zentrales Schlafapnoesyndrom: Wiederholte Atempausen im Schlaf als Folge eines ausbleibenden Atemimpulses. Unerholsamer Schlaf und Tagesschläfrigkeit.
  10. Zentrales alveoläres Hypoventilationssyndrom Beeinträchtigung der Atmung im Schlaf. Folge: Schlafstörungen und/oder Tagesschläfrigkeit
  11. Periodische Bewegungen der Gliedmaßen: Wiederholte gleichförmige Zuckungen von Armen oder Beinen im Schlaf mit Schlafstörungen und/oder erhöhter Tagesschläfrigkeit als Folge.
  12. Restless-legs-Syndrom: Quälende Missempfindungen in den Beinen, verbunden mit Bewegungsdrang der Beine, häufig zu Einschlafstörungen führend.
  13. Inadäquate Schlafhygiene: Ein- und/oder Durchschlafbeschwerden infolge falscher Schlafgewohnheiten.
  14. Umweltbedingte Schlafstörung: Schlafstörungen infolge von Umweltfaktoren wie Lärm, Licht, Temperatur usw.
  15. Höhenbedingte Schlafstörung Schlafstörungen beim Aufstieg in große Höhen (häufig ab 4000 Metern), begleitet von Kopfschmerzen, Appetitverlust und Erschöpfung.
  16. Anpassungsbedingte Schlafstörung: Vorübergehende Schlafstörungen aufgrund von akutem Stress, Konflikten oder Umgebungswechsel.
  17. Schlafmangelsyndrom: Schlafstörung mit erhöhter Schläfrigkeit am Tage durch anhaltend kurzen Schlaf.
  18. Schlafstörung aufgrund mangelnder Schlafdisziplin: Vor allem in der Kindheit auftretende Schlafprobleme, wenn von Seiten der Eltern nicht auf regelmäßige Zubettgeh- und Aufstehzeiten geachtet wird.
  19. Einschlafstörung durch Fehlen des gewohnten Schlafrituals
  20. Insomnie bedingt durch Nahrungsmittelallergie: Schlafstörungen aufgrund von Nahrungsmittelallergien wie z.B. Kuhmilchunverträglichkeit.
  21. Schlafstörung bedingt durch nächtliches Essen oder Trinken: Wiederholte nächtliche Wachperioden. Wiedereinschlafen ist nur möglich, wenn gegessen oder getrunken wird.
  22. Schlafstörung bei Hypnotikaabhängigkeit: Schlafstörungen durch Entzug oder Gewöhnung (Toleranz) an Schlafmittel
  23. Schlafstörung bei Stimulanzienabhängigkeit: Schlafstörungen durch Einnahme von "wachmachenden" Medikamenten/Drogen; nach deren Absetzen kommt es zu starker Schläfrigkeit.
  24. Alkoholinduzierte Schlafstörung Dauerhafter Gebrauch alkoholischer Getränke, um besser in den Schlaf zu kommen. Bei Weglassen des Alkohols kommt es zu Einschlafproblemen. Häufiges Erwachen in der 2. Nachthälfte.
  25. Toxisch-induzierte Schlafstörung: Schlafstörungen oder erhöhte Schläfrigkeit durch Vergiftung mit Schwermetallen oder anderen giftigen Substanzen.
  26. Schlafstörung bei Zeitzonenwechsel (Jet lag): Ein- und/oder Durchschlafbeschwerden/erhöhte Tagesschläfrigkeit nach Fernflügen.
  27. Schlafstörung bei Schichtarbeit: Schlafstörungen/erhöhte Schläfrigkeit als Begleiterscheinung bei Schichtarbeit.
  28. Unregelmäßiges Schlaf-Wach-Muster: Gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus mit mehreren willkürlich über den 24-h-Tag verteilten Schlafphasen.
  29. Verzögertes Schlafphasensyndrom: Probleme zu normalen Zeiten einzuschlafen und aufzustehen. Problemloser Schlaf, wenn der Betroffene später zu Bett gehen und später aufstehen kann.
  30. Vorverlagertes Schlafphasensyndrom: Probleme am Abend bis zu einem normalen Zubettgehzeitpunkt wach zu bleiben und verfrühtes morgendliches Erwachen, d.h. die Schlafphase ist quasi "vorgezogen" (z.B. von 20-3 Uhr).
  31. Schlaf-Wach-Störung bei Abweichung vom 24-Stunden-Rhythmus: Einschlaf- und Aufwachzeiten verschieben sich jeden Tag um 1-2 Stunden.

 

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II) Parasomnien

  1. Schlaftrunkenheit: Verwirrtheit während und nach dem Erwachen insbesondere in der ersten Nachthälfte.
  2. Schlafwandeln: Gehen im Schlaf oder andere "komplexe" Verhaltensweisen
  3. Pavor Nocturnus: Plötzliches Erwachen mit gellendem Schrei und Anzeichen intensiver Furcht
  4. Schlafstörungen durch rhythmische Bewegung: Gleichartige wiederholte Bewegungen vor allem des Kopfes, die vor dem Einschlafen beginne und im Schlaf teilweise andauern.
  5. Einschlafzuckungen: Plötzliche kurze Zuckungen von Armen, Beinen oder Kopf beim Einschlafen, die zu Einschlafbeschwerden führen.
  6. Sprechen im Schlaf
  7. Nächtliche Wadenkrämpfe
  8. Alpträume
  9. Schlaflähmung: Schlaflähmung bezeichnet die Unfähigkeit, sich zu bewegen, und tritt beim Einschlafen oder nach dem Erwachen auf.
  10. Beeinträchtigung der Erektionen im Schlaf: Wenn die im REM-Schlaf normalerweise auftretenden Erektionen fehlen, stellt dies einen Nachweis für eine organisch bedingte Impotenz dar.
  11. Schmerzhafte Erektionen im Schlaf: Penisschmerzen während der im REM-Schlaf auftretenden Erektionen
  12. REM-Schlaf abhängige Asystolie (Sinus-Arrest): Eine Herzrhythmusstörung mit kurzen Herzstillständen im REM-Schlaf bei ansonsten gesunden Menschen. Keine Schlafbeschwerden.
  13. Verhaltensstörung im REM-Schlaf: Fehlende "Lähmung" der Muskulatur im REM-Schlaf. Träume werden "ausagiert". Möglicherweise schädigende Verhaltensweisen im Schlaf.
  14. Bruxismus: Zähneknirschen im Schlaf
  15. Enuresis Nocturna: Nächtliches Bettnässen.
  16. Schlafbezogenes abnormes Schlucksyndrom: Unangemessenes Schlucken von Speichel, Verschlucken, Husten im Schlaf, plötzliches Erwachen mit Erstickungsgefühlen, Schlafstörungen.
  17. Nächtliche paroxysmale Dystonie: Abnormale Muskelaktivität im Schlaf (vor allem im NREM-Schlaf)
  18. Syndrom des ungeklärten plötzlichen nächtlichen Todes Plötzlicher Tod im Schlaf bei gesunden jungen Erwachsenen insbesondere südostasiatischer Abstammung.
  19. Primäres Schnarchen: Laute Atemgeräusche der oberen Atemwege im Schlaf ohne Atempausen oder Atemabflachungen.
  20. Kindliche Schlafapnoe: Gehäufte Atempausen bei Kindern im Schlaf (Apnoe in der Kindheit).
  21. Angeborenes zentrales Hypoventilationssyndrom: Angeborene flache Atmung oder Atempausen, die im Schlaf ausgeprägter sind als im Wachzustand.
  22. Plötzlicher Kindstod: Plötzlicher unerwarteter Tod von Kindern (Alter: 0-12 Monate) im Schlaf.
  23. Gutartiger Schlafmyoklonus beim Neugeborenen: Kurze Muskelzuckungen des Rumpfes und/oder der Glieder im Schlaf bei Neugeborenen.

 

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III) Schlafstörungen bei körperlichen/psychiatrischen Erkrankungen

  1. Schlafstörungen bei Psychosen (u.a. Schizophrenien, Wahn, Drogen- und Alkoholpsychosen, Demenz)
  2. Schlafstörungen bei Affektiven Störungen (u.a. bei Depression, Manie)
  3. Schlafstörungen bei Angststörungen (Phobien und Zwänge)
  4. Schlafstörungen bei Panikstörung (mit/ohne Agoraphobie)
  5. Schlafstörungen bei Alkoholismus
  6. Schlafstörungen bei degenerativen Hirnerkrankungen (Degenerative Hirnerkrankungen sind allmählich fortschreitende Erkrankungen, die durch abnorme Verhaltensweisen oder unfreiwillige Bewegungen charakterisiert sind wie z.B. bei der "Chorea Huntington"-Erkrankung).
  7. Schlafstörungen bei Demenz (Alzheimer)
  8. Schlafstörungen bei Parkinsonismus
  9. Letale familiäre Insomnie: Eine fortschreitende Erkrankung, die mit Einschlafstörungen beginnt und innerhalb weniger Monate zu einem totalen Schlafverlust führt, später zu Koma und Tod (innerhalb von 24 Monaten). Wird teilweise vererbt, d.h. es kommt innerhalb einer Familie gehäuft zu dieser Erkrankung. Sehr selten.
  10. Schlafbezogene Epilepsie Epileptische Aktivität aus dem Schlaf heraus; abruptes Erwachen, Einnässen ohne andere Erklärung; abnorme Bewegungen im Schlaf.
  11. Status Epilepticus im Schlaf: Kontinuierliche Anzeichen für epileptische Aktivität im Gehirnstrombild (EEG), aber ohne epileptischen Anfall; vor allem bei Kinder zwischen 4. und 14. Lebensjahr.
  12. Schlafbezogene Kopfschmerzen: Schwere, hauptsächlich einseitige Kopfschmerzen, die während des Schlafes beginnen.
  13. Schlafkrankheit: "Afrikanische Schlafkrankheit"; nach einer zunächst fiebrigen Erkrankung in der Akutphase kommt es nach längerer Zeit (1 Monat bis zu mehreren Jahren) zu einer Entzündung des Nervensystems (Meningoenzephalitis) mit übermäßiger Schläfrigkeit.
  14. Nächtliche kardiale Ischämie: Nächtliche "Angina pectoris" (Herzerkrankung mit Engegefühl im Brustkorb, Druck, Schmerzen, die in Unterkiefer oder linken Arm ausstrahlen).
  15. Chronisch obstruktive Lungenerkrankung: Schlafstörungen oder Tagesschläfrigkeit infolge einer chronischen Erkrankung der Lunge wie z.B. chronische Bronchitis.
  16. Schlafbezogenes Asthma: Schlafstörungen/Tagesschläfrigkeit durch Asthma-Anfälle im Schlaf.
  17. Schlafbezogener gastroösophagaler Reflux: Wiederholtes Aufwachen mit Sodbrennen im Schlaf durch Rückfluss des Mageninhaltes in die Speiseröhre.
  18. Peptisches Ulcus: Aufwachstörungen durch Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwüre und die damit einhergehenden Beschwerden (Sodbrennen, Bauchschmerzen, in die Brust ausstrahlende Schmerzen).
  19. Fibrositis-Syndrom (Fibromyalgie): Diffuse Muskel- und Skelettschmerzen mit chronischer Erschöpfung und nicht erholsamen Schlaf.

 

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IV) Vorgeschlagene Schlafstörungen

  1. Kurzschläfer Ob es sich beim Kurzschläfer mit regelmäßiger Schlafdauer von weniger als 4-5 Stunden (aber ohne Beeinträchtigung am Tage) um eine Störung des Schlafes oder nur um das eine Extrem der normalen Bandbreite handelt, ist stark umstritten.
  2. Langschläfer: Schlafdauer von mehr als 10 Stunden. Siehe Anmerkung Kurzschläfer.
  3. Subvigilanz-Syndrom Wiederkehrende Müdigkeit/Schläfrigkeit am Tage bei ansonsten gesunden Schläfern.
  4. Fragmentarischer Myoklonus Unregelmäßige Zuckungen im Schlaf.
  5. Nächtliches Schwitzen Übermäßiges Schwitzen im Schlaf.
  6. Menstruationsassoziierte Schlafstörung Schlafstörungen/Tagesschläfrigkeit, die in Zusammenhang mit Menses oder Menopause auftreten.
  7. Schlafstörung in der Schwangerschaft
  8. Beängstigende hypnagoge Halluzinationen Angsterregende traumähnliche Erlebnisse beim Einschlafen.
  9. Schlafbezogene neurogene Tachypnoe Erhöhte Atemfrequenz beim Einschlafen und im Schlaf, die sich unmittelbar nach Erwachen wieder normalisiert.
  10. Schlafbezogener Laryngospasmus Seltenes, plötzliches Erwachen aus dem Schlaf mit Erstickungsanfällen und pfeiffenden Atemgeräuschen ausgelöst durch einen Krampf der Stimmbänder.
  11. Erstickungsanfälle im Schlaf Häufiges, plötzliches Erwachen aus dem Schlaf mit Erstickungsanfällen ohne erkennbare Ursache.