Vor und Nachteile der medikamentösen Therapie
Das ideale Schlafmittel sollte:
- den Schlaf in seiner Dauer und Qualität deutlich verbessern
- das natürliche Schlafmuster nicht verändern
- nur in der Nacht, nicht aber am Tage wirken
- keine Nebenwirkungen haben und für den Körper ungiftig sein
- auch bei einer Langzeiteinnahme seine volle Wirkung behalten
- keine Abhängigkeit hervorrufen
- das Absetzen des Mittels sollte unproblematisch sein
Ein solches ideales Schlafmittel gibt es bis heute nicht und wird es wahrscheinlich auch nie geben. Alle heute existierenden Schlafmittel weisen eine Reihe von Vor- und Nachteilen auf, die es im Einzelfall abzuwägen gilt.
Vorteile:
Der Vorteil einer Schlafmitteltherapie liegt in der unmittelbaren Entlastung des Patienten durch die Verbesserung der Ein- und Durchschlaffähigkeit. Damit kann bei akuten Schlafstörungen tw. einer Chronifizierung der Störung vorgebeugt werden. Bei chronischen Schlafstörungen wird durch die verbesserte Schlafqualität der Entwicklung von Folgeproblematiken (z.B. schwere depressive Verstimmungen, vegetative Erschöpfungszustände) vorgebeugt. Gleichzeitig wird der Patient in die Lage versetzt, die Ursachen der Schlafstörung durch andere Therapietechniken anzugehen.
Nachteile/Nebenwirkungen:
Der größte Nachteil bei der medikamentösen Therapie von Schlafstörungen mit Schlafmitteln liegt darin, dass diese Medikamente nur eine (häufig nur vorübergehenden) Beseitigung der Symptome, nicht aber der Ursachen bewirken. "Es sind Helfer, aber keine Heiler." Die medikamentöse Therapie sollte daher immer in ein Gesamttherapiekonzept eingebunden sein, das auch andere Nicht-medikamentöse Maßnahmen umfasst.
Die am häufigsten verwendeten Schlafmittel (die sog. Benzodiazepine und die neuen Nichtbenzodiazepine - siehe: Welche Schlafmittel gibt es) weisen in unterschiedlichem Maße folgende Nebenwirkungen auf:
Nachteile von Schlafmitteln
- Veränderungen des natürlichen Schlafmusters: Benzodiazepine führen zu einer Verminderung des Tiefschlafes, tw. auch des REM-Schlafes. Bei den Neuen Nichtbenzodiazepinen sind diese Nebenwirkungen geringer ausgeprägt.
- Tagesüberhang: Je nach Wirkdauer des Medikamentes kann es auch noch am Tage zu einer Beeinträchtigung der Konzentrations- und Leistungsfähigkeit, sowie des Reaktionsvermögens (Unfallrisiko!) kommen. Häufig werden diese Effekte vom Patienten nach einiger Zeit nicht bewusst wahrgenommen, obwohl sie weiterhin vorhanden sind.
- Reboundinsomnie: Der englische Begriff "rebound" bedeutet soviel wie "Rückprall". Mit der sog. Reboundinsomnie (auch: Absetzinsomnie) bezeichnet man die bei abruptem oder zu schnellem Absetzen eines Schlafmittels erneut und nicht selten verstärkt auftretende Schlafstörung/Schlaflosigkeit. Bei den Neuen Nichtbenzodiazepinen ist diese Nebenwirkung geringer ausgeprägt. Am stärksten treten Absetzschlafstörungen bei hoher Dosierung und bei Mitteln mit kurzer Wirkdauer auf.
- Entzugserscheinungen: Abruptes Absetzen eines Schlafmittels kann neben der Absetzinsomnie zu einer Reihe anderer Entzugssymptome führen wie Angstzustände, Zittern, Alpträume, Erregungs- und Unruhezustände.
- Toleranzentwicklung: Zahlreiche Schlafmittel verlieren nach einiger Zeit an Wirkung. Bei Benzodiazepinen ist nach 2-4 Wochen mit einer Wirkungsabschwächung zu rechnen. Eine Dosissteigerung ist dann häufig die Folge.
- Abhängigkeit/Sucht: Aufgrund der Toleranzentwicklung kann es bei einigen Patienten zur Dosissteigerung und entsprechender Entzugssymptomatik kommen, so dass man hier von einer physischen (körperlichen) Abhängigkeit spricht. Das Risiko einer solchen Abhängigkeit ist jedoch wesentlich geringer einzustufen als das Abhängigkeitsrisiko bei entsprechenden illegalen Drogen oder legalen Suchtmitteln (Alkohol, Nikotin). Das Risiko steigt mit zunehmender Dosierung und Therapiedauer. Besonders gering wird das Abhängigkeitsrisiko bei den Neuen Nichtbenzodiazepinen eingeschätzt. Von der körperlichen Abhängigkeit unterschieden werden muss die psychische Abhängigkeit.
- Psychische Abhängigkeit: Bei jeder Form der Schlafmitteleinnahme (selbst wenn es sich um ein unwirksames Schlafmittel handeln würde) besteht das Risiko, dass über kurz oder lang der Patient zu der Überzeugung gelangt, ohne Schlafmittel nicht mehr schlafen zu können, und daher gewohnheitsmäßig abends zur Tablette greift. Ohne Tablette (z.B. wenn man das Medikament auf einer Reise vergessen hat, einzupacken) entsteht dann der Gedanke: "Ohne mein Schlafmittel kann ich nicht schlafen - also werde ich wohl die ganze Nacht wachliegen", die dadurch hervorgerufene Beunruhigung reicht dann in der Tat aus, den Schlaf zu vertreiben (siehe auch: Teufelskreislauf der Schlaflosigkeit).
- Muskelrelaxation: Benzodiazepine habe eine muskelentspannende Wirkung. Bei älteren Patienten besteht daher eine erhöhte Sturzgefahr, wenn sie in der Nacht aufstehen müssen, um z.B. zur Toilette zu gehen.
- Atemsuppression ("Atemunterdrückung"): Benzodiazepine beeinträchtigen die Atmung. Bei vorbelasteten Patienten (z.B. Asthma) - insbesondere bei solchen, bei denen neben der Schlafstörung auch eine "Schlafapnoe" vorliegt - kann sich dieser Effekt verhängnisvoll auswirken.
- Paradoxe Reaktionen: Bei einigen Patienten, insbesondere älteren Menschen und Kindern, kann es statt der beruhigenden Wirkung zu einer gegenteiligen Reaktion mit Erregung, Unruhe, Angst und Panik kommen.
- Gedächtnis: Benzodiazepine können zu vorübergehenden Beeinträchtigungen des Gedächtnisses führen (Vergessen von Vorkommnissen in der Nacht, Beeinträchtigungen beim Lernen neuer Gedächtnisinhalte). Dies gilt besonders für die kurz wirksamen Benzodiazepine (z.B. Halcion). Bei diesen sehr schnell wirkenden Medikamenten wurden auch tw. Angstsymptome am Tage als Nebenwirkung berichtet.
- Wechselwirkungen: Alle Schlafmittel weisen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten auf. Insbesondere die gleichzeitige Einnahme von Alkohol kann Wirkungen und Nebenwirkungen erheblich verstärken und sollte daher unterbleiben.
Fazit: Alle bekannten Schlafmittel weisen eine Vielzahl nachteiliger Wirkungen auf. Insbesondere die Neuentwicklungen (Neue Nichtbenzodiazepinhypnotika) gelten als relativ sichere Schlafmittel mit geringerem Abhängigkeitspotential und weniger Nebenwirkungen. Ob und wie stark es zu den entsprechenden Nebenwirkungen kommt, ist individuell sehr unterschiedlich. Eine gute medikamentöse Therapie beruht von daher auch immer auf einem guten Verhältnis zwischen Arzt und Patient. Wichtig ist hierbei vor allem die Aufklärung des Patienten über mögliche Absetzeffekte bzw. über das korrekte Ausschleichen von Schlafmitteln. Viele Patienten, die um diese Absetzeffekte nicht wissen, versuchen über kurz oder lang das Schlafmittel abrupt von heute auf morgen wegzulassen. Als Folge kann es zu massiven Absetzschlafstörungen kommen, die den Patienten in seiner Überzeugung verstärken, er könne ohne Schlafmittel nicht schlafen. Dosissteigerungen und eine Langzeitmedikamenteneinnahme sind dann oft die Folge.